„Kampf gegen rechts“ in Wurzen: Wann ist Gewalt in Ordnung?
Die Stadt Wurzen hat keinen guten Ruf. Das „braune Herz des Muldentals“ ist eines der Etiketten, die der Stadt so angeheftet wurden. Da die Stadt bereits in den beginnenden neunziger Jahren als rechte Hochburg galt, war der alte schlechte Ruf schnell aufgefrischt, als sich Nachrichten über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Deutschen verbreiteten. Doch hält dieses Urteil den Fakten stand?
Viele Wurzener sehen ihre Stadt jetzt, im Jahr 2018, zu Unrecht in diesem schlechten Ruf. Es wächst nicht nur der Groll über das ungute Image, sondern auch darüber, dass jede kritische Äußerung zur Zuwanderungspolitik sofort in die rechtsextreme Schublade gesteckt wird und anschließend als Bestätigung des Bildes vom „braunen Herzen des Muldentals“ dient. Solcher Groll kann schnell tatsächlich zum Einfallstor für Rechtsradikale werden, ganz im Stile einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Überall in Deutschland spaltet sich die Gesellschaft an der nicht angemessen offen debattierten Migrationsfrage, wird der Graben zwischen Willkommenskultur-Gläubigen und den Skeptikern immer größer. Immer stärker steigt der Druck, sich in einer geistigen Wagenburg einzufinden. Und ein paar Wurzener wollten dies nicht hinnehmen und gründeten ein „Neues Forum für Wurzen“.
Die Anklänge an das Neue Forum aus dem Herbst 1989, das kurzzeitig eine entscheidende Rolle beim Sturz der SED-Herrschaft spielte, sind nicht ganz zufällig. Nicht nur waren die Gründer des neuen Neuen Forum auch schon 1989 mit dabei, auch der erste Satz des damaligen Gründungsaufrufs klingt äußerst aktuell: „In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört.“
Natürlich will niemand die heutigen mit den damaligen Verhältnissen vergleichen. Aber die Versuche, in der Art politische Auseinandersetzungen zu führen, vielleicht auch ungewohnte Wege zu probieren, passen durchaus zum gewählten Namen. So wird zu einer Kundgebung nicht nur demonstriert, sondern die Rathaussprecherin zum Gespräch gebeten. Doch die Stimmung ist dennoch aufgeheizt. Von linken Aktivisten wurde auch das Neue Forum für Wurzen zu einer rechten Gruppierung erklärt, Linksextreme griffen die Gaststätten zweier Vorstandsmitglieder an und hinterließen teuren Schaden. Einschüchtern lassen will sich das Neue Forum nicht, ebenso wenig, wie es sich von Parteien – also auch nicht von der AfD – vereinnahmen lassen will.
Und ihre Haltung zur umstrittenen Zuwanderung formulieren sie klar durch ihre Unterstützung der „Zehn Thesen für ein weltoffenes Deutschland“ von Prof. Richard Schröder, Gunter Weißgerber (beide SPD) und Eva Quistorp, einer Mitbegründerin der Grünen. Ihnen geht es nicht um irgendeine rechte Gesinnung, sondern um demokratische rechtsstaatliche Regeln.
Am 7. Mai gibt es wieder eine interessante Veranstaltung, an der das Neue Forum beteiligt ist: Dann tritt Richard Schröder in der zentral gelegenen Wenceslaikirche auf.